Mittwoch, 18. September 2013

Ohne Titel


In meinem Kopf pulsiert es. Habe nichts überlegt. Dachte, ich könnte noch eine halbe Stunde nichts tun. Dabei ist es schon nach neun. Ich mag es nicht, wenn ich mich beeilen muss, weil sonst der Zug losfährt. Aber ich musste. Jetzt läuft meine Nase und ich habe kein Taschentuch. Aber was soll’s? Viel schlimmer sind das Dröhnen im Kopf und der Klumpen im Hals. Er sitzt so verdammt fest. Irgendwo zwischen Nase und Hals; kann sich nicht entscheiden, wo er hin will. Nicht einmal die Zähne habe ich geputzt. Der Kaugummigeschmack vermischt sich mit dem des Schwarztees. Der Zug ist im Tunnel. Diese Strecke ist voller Tunnel! Ich mag das nicht. Man kriegt davon einen Druck auf den Ohren; vielleicht habe ich deshalb so ein Dröhnen im Kopf. Nein, wahrscheinlich ist’s vom vielen Denken. Oder vom Wetter. Aber diese Aussage erlangt wohl erst ab dem vierzigsten Lebensjahr an Gültigkeit. Na ja, egal. Es soll einfach weg, damit ich wieder rauchen kann. Ich kann den Zustand meiner Gesundheit anhand des Zigarettenkonsums analysieren. Wenn mir Zigaretten nicht schmecken, so bin ich krank. Aber neuerdings höre...nein, fühle ich so einen Luftzug in der linken Seite meines Brustkastens. Das ist sicher die Lunge. Und das kommt sicher vom Rauchen. Na ja, wenn der Klumpen und die Kopfschmerzen verschwunden sind, werde ich trotzdem wieder rauchen. Willensstärke ist da nicht wirklich vorhanden. Meine Hände sind ganz ausgetrocknet. Das sind sie immer, wenn ich sie nicht eincrème. Na ja, was soll’s? Habe mal gehört, die Haut würde von Crèmen und Pomaden abhängig werden, wenn man einmal damit anfängt. Schon wieder im Tunnel. Ich schaue aus dem Fenster. Grün. Weiß nicht, wo ich bin. Ich hab tatsächlich fast den Zug verpasst. In diesem Abteil hat’s Kinder. Eines davon schreit...Man könnte auch sagen, dass es hyperventiliert, denn es macht so komische Geräusche zwischen den Schreiattacken. Jetzt fährt der Zug durch einen Wald. Ich find’s komisch, dass man eine Bahnstrecke durch einen Wald baut. Wegen der Tiere. Ah, nun fährt er an Koppigen vorbei. Da bin ich aufgewachsen. Ein kleines Kaff, das nicht sonderlich viel zu bieten hat. Es stört mich jedoch nicht, hier meine Kindheit verbracht zu haben. Das Kind geht mir langsam aber sicher auf die Nerven. Nun rennt es auch noch im Abteil herum. Es heißt Katrin. Ich mag diesen Namen nicht. Das macht es erst recht zum Balg! Ich konnte mich nicht mehr auf der Wäscheliste eintragen, da ich mich so beeilen musste. Hoffentlich trägt sich niemand ein...Der Kleiderberg wächst und wächst ins Unermessliche. Man muss schon an vieles denken, um so einigermaßen durch den Alltag zu kommen. Manchmal habe ich das Gefühl, leben besteht aus organisieren. Da ist nichts mit „das-lass-ich-mal-auf-mich-zukommen“...Irgendwie funktioniert dies einfach nicht. Aber da frag ich mich doch, wo denn da die positive Aufregung bleibt. Tunnel. Meine Hand und einer meiner Finger schmerzen. Druck auf den Ohren. Kaugummi kauen. Nützt vielleicht. Seit ich im Zug sitze, habe ich mich nicht bewegt. Kriege wohl einen Schaden an der Wirbelsäule. Der kann sich dann mit dem Schaden im Hals und dem im Kopf zusammentun. Tunnel nimmt kein Ende. Dafür hat sich das Kind einigermaßen beruight. Das ist falsch, es heißt – nein, es schreibt sich – beruhigt. So. Ich weiß nicht. Jetzt bin ich gleich in Bern. Viel zu früh natürlich. Und für das habe ich mir beinahe die Lunge aus dem Leib gekotzt. Egal, spür ich ja jetzt nicht mehr. Da hat’s so komische Wagen auf den anderen Geleisen. In den Keller. Ich glaube, wir haben jetzt im Keller Schule. Im Untergeschoss. Vor der Kiste; dem Computer. So, die Durchsage: Endstation.

Samstag, 11. Mai 2013

...to be continued...


Ich hatte die Schuhe ausgezogen. Natürlich weiss ich - knapp ein Jahr danach - nicht mehr aus welchem Grund. Aber ehrlich gesagt wusste ich das auch damals am nächsten Morgen nicht mehr. Meine Füsse schmerzten und an einigen Zehen klebte schwarzes, geronnenes Blut. Ebenso fühlte sich mein Kopf schwer und schwammig an. Irgendwelche hochprozentigen Substanzen hatten mir das Hirn weggeblasen. In meiner Erinnerung fand ich verzerrte Fetzen einer grauen und herzlosen Nacht. Worte ohne Stimmen und Fratzen ohne Gesichter… 

Sonntag, 5. Mai 2013

Das Maß der Dinge


Es scheint mir eine interessante Frage zu sein, ob denn nun der Traum der Vernunft diese Ungeheuer tatsächlich gebiert. Zuerst einmal noch anzumerken ist, dass in der spanischen Sprache das Wort für Traum ebenso Schlaf bedeutet. Ein nicht unwichtiger Punkt, da dies die Aussage erheblich verändert. denn Träumen kann auch mit abschweifendem Denken assoziiert werden, schlafen jedoch ist eine Tätigkeit, bei welcher wir uns in einem unbestrittenen Zustand befinden. Da es mir in diesem Zeitrahmen nicht möglich ist, den Titel genauer analysieren zu können, bleibe ich bei der Ausgangslage, der Variante mit dem Traum.
Man könnte nun die Aussage auch umformen zu einer neuen Konstellation wie etwa „Wenn die Vernunft träumt, gebiert sie Ungeheuer“. Jeder Mensch besitzt ein gewisses Maß an Vernunft, welches er nach Belieben anwenden kann. Den aufklärerischen Idealen zufolge muss ich jedoch annehmen, dass das Volk bestrebt war, nur noch den vernünftigen Gedanken Eintritt zu gewähren. Wie wir aber wissen, passiert es immer wieder, dass wir innerlich abdriften, eine andere Welt aufsuchen, der Realität entfliehen. Und solche Spaziergänge nach irgendwo geschehen unmerklich. Dies ist der Moment, in welchem die Vernunft träumt, man könnte es auch Phantasieren nennen. Braucht es aber diese radikale Grenze? Ist Unvernunft ungeheuerlich? Entsteht nicht auch aus der Vernunft Irrsinn? Wo liegt die Definition der Vernunft? Für mich stellt der vermeintliche Fortschritt der Aufklärung in gewissen Bereichen eine zu strenge Schwarz-Weiß-Malerei dar.
Es wäre ein nächster Schritt, sich mit der Person Goya auseinanderzusetzen. Welche Einstellung hatte der Künstler gegenüber dem rein wissenschaftlichen Vormarsch? So ist doch bekannt, dass Menschen aus gewissen Kreisen in allen Epochen immer etwas auflehnend sind. Diesem angebrachten Vorurteil nach zu schließen, lässt sich auf dem Bild unmittelbar etwas Ironisches erkennen. Denn ganz objektiv betrachtet, ist es eher lachhaft, wenn die träumende Vernunft von gerade eben jenen Monstern heimgesucht sind, die sie in geistig wachem Zustand zu verbannen gedenkt.
Durchaus könnte es Goyas Absicht gewesen sein, den Massen einen Spiegel vorzuhalten, um sie aus dem Rausch des Extremismus zu befreien.
Welche Ideen auch immer hinter dem Gesamtwerk stecken mögen, so bleibt für mich der Ausdruck des Unbehagen am stärksten präsent. Die albtraumartige Szenerie zwingt zum Aufwachen. Ich würde bei einer Interpretation relativ anti-aufklärerisch vorgehen und meine Gefühle walten lassen. Aufwachen und dem Absurden entrinnen. Denn hier stimmt etwas nicht und diesem gilt es zu entfliehen. Um was es sich dabei handelt, scheint mir ein individuelles Problem darzustellen. Allgemein gesehen aber liegt die Lösung darin, eine Ausgeglichenheit zu finden, in welcher vernünftige Aspekte wie auch träumerisches Gedankengut einen Platz haben.



Montag, 22. April 2013

Mittagessen


Das kränkelnde Kind beugt sich über die Teppichstange. 
Die Mutter schaut aus dem Küchenfenster. Ihre Äderchen im Gesicht sind so rot wie ihre Hände, die sie von der Bete nicht mehr sauber kriegt. Kirchenglocken schlagen zur Mittagszeit. Der Kirchturm wäre hoch genug. Aber da ist das Kind. Schuldig schlägt sie die Augenlider nieder und fahrt fort, die Kartoffeln zu rüsten.
Das mehlig gekochte Gemüse verschwindet durch die Löcher des Passevites und findet sich in veränderter Form in der Suppenschüssel wieder. Abwesend schaut die Mutter ihrer Arbeit zu, schaut zu, wie sie die Kartoffeln zerdrückt und lässt ihre Finger langsam in das blecherne Küchengerät gleiten. Sie dreht weiter.
Dem Kind ist das ganze Blut in den Kopf geflossen. Die Kirchenglocken schlagen erneut und es lässt sich auf den Boden fallen. Sein Magen knurrt. Mit beiden Händen öffnet es die angelehnte Küchentüre.
Es duftet nach Kartoffelsuppe. Die Schürze der Mutter liegt am Boden.

Mittwoch, 3. April 2013

Die Erkältung


Der Aschenbecher quillt über, im Kühlschrank herrscht gähnende Leere und der Nagellack auf meinen Fingernägeln unterstützt mein Erscheinungsbild dieser Tage auch nicht mehr. Komischerweise kann ich mich seit geraumer Zeit nur noch einer Aufgabe widmen: Dem Anstarren des Telefons. Hin und wieder stehe ich vom Boden auf – ich mag keine Telefontischchen – und tue so, als ob ich im nächsten Augenblick etwas Dringendes erledigen würde, setze mich dann aber doch wieder vor mein Telefon und muss mir eingestehen, dass ich unter diesen Umständen einfach zu nichts anderem fähig bin, als zu warten.
Es klingelt.

Ich saß im Raucherabteil des 17.37-er IC nach Basel, welcher jedoch noch nicht losgefahren war, da er einen verspäteten Zug abwartete. Aus meinen Kopfhörern spielte ein klavierlastiges Lied in Moll. Ich genoss den Anblick des hektischen Treibens auf dem Perron, welches durch die musikalische Untermalung die Gestalt eines Films annahm. Doch dann blieben meine Augen an einem der Darsteller haften. Es mag etwas abgedroschen sein, wenn ich behaupte, noch nie so eine wundervolle Person gesehen zu haben. So soll es; mir fällt beim besten Willen nichts Besseres dazu ein.
Angestrengt verfolgte ich ihn mit meinem Blick in der Menschenmasse, doch verlor ich ihn kurzum. Aus der Traum. Der Zug bewegte sich ruckartig, verließ in ansteigendem Tempo den Bahnhof. Ich schaute immer noch hoffnungsvoll aus dem Fenster, als ich hinter mir eine Stimme vernahm. Obwohl ich die Frage nicht verstand, ging ich davon aus, dass es sich um die „Ist-hier-noch-frei?“-Frage handelte, und so nickte ich abwesend, während ich mich auf meinem Sitz einrichtete. Ich registrierte kurz, wer sich mir gegenüber hingesetzt hatte, wandte mich ab und schaute ein zweites Mal. Er war es. Meine Hände fuhren zu meinen Kopfhörern empor, um diese abzunehmen, auf meinen Lippen formten sich die ersten Worte. Aber ich schwieg und schaute aus dem Fenster. Häuser und Strassen zogen an meinem Blick vorbei. Ich sah nichts. Fahrgäste zündeten sich Zigaretten an. Ich wollte auch. Ich konnte nicht. Mein Verstand schien aus allen erdenklichen Konzepten zu geraten, dafür stieg an dessen Stelle das beinahe schmerzhafte Pochen meines Herzens.
Was sollte ich denn tun? Dich einfach aus dem Zug aussteigen lassen, ohne auch nur die geringste Anstrengung unternommen zu haben, um irgendetwas über dich zu erfahren? Doch blieben alle Funktionen, die das Sprechen ermöglichen, ausgeschaltet. Fünfundvierzig Minuten der einstündigen Zugfahrt waren jäh verstrichen. Die Musik, welche in meine Ohren floss, nahm ich kaum mehr wahr und der Bilderstreifen vor dem Zugfenster bündelte sich zu einem gegenstandslosen Farbenstrahl. In meinem Magen formte sich das Gefühl des Unmuts und bahnte sich seinen Weg durch die Speiseröhre Richtung Mund, wo sich ein saurer Geschmack bildete.
Basel. Er stand auf und ich erkannte, wie sich seine Lippen zu einem Wort formten, welches an mich gewandt schien. „Tschüss“, sagte ich, ohne mich selbst zu hören, und war mir somit auch nicht sicher, ob ich es denn tatsächlich ausgesprochen hatte.
So stiegen wir aus dem Zug. Du gingst nach links. Ich blieb stehen, schaute dir nach und machte mich nach rechts davon.

„...Husten und Schnupfen.“ „...-...“ „Nein, ich weiß nicht, wann ich wieder zur Arbeit kommen kann.“ „...-...“ Ich lege den Hörer auf die Gabel, setze mich zurück an meinen Beobachtungspunkt und starre das Telefon an.

Mittwoch, 20. März 2013

Eine Nacht im Juni


Der Juni bereitet mir bis anhin noch nicht all zu große Freude, zumal er immer wieder den bedrohlichen Eindruck erweckt, sich direkt im folgenden Herbst zu verlieren. So bin ich denn auch saisongerecht krank geworden und trinke erstmals Tee, um abzuwarten und ja – gesund zu werden natürlich.
Vielleicht hat sich aber auch einfach ein kleiner Frustrationsparasit in meinem Kopf eingenistet und ärgert mich dort, ungeachtet der drei lustigen Pillen, die ich ihm raufgeschickt habe. Ich nehme an, er ist immer noch etwas muderig ob des letzten Samstags. Eigentlich hat ja alles wunderbar angefangen. Ich habe mich zum Kochen eingeladen (ja, so Futurekitchen, alles mit Digital Buttons, super) und wohlgenährt konnte man sich also dann ins Nachtgetümmel stürzen. Der Sturz kam früh und endete in einem Keller unten, wo man angestrengt versuchte, mit einem (sehr, sehr großen) Drink und suure Fischli die Motivation zurückzuerlangen, um dann zwei Häuser weiter gleich wieder irgendwo unter dem Boden zu verschwinden. Die Getränkewahl viel dieses Mal etwas schwieriger aus, da der „Flying Hirsch“ auf der Karte nicht zu finden war. Mit dem guten Glauben, dass auch Pastis zu Höhenflügen führen würde, genehmigte man sich ebenjenes. Der Flug blieb aus, die Musik geriet immer tiefer in den Sog des Stilbruchs, während wir uns wieder nach oben begaben (die Erleuchtung erhält man ja wohl auch nicht fünf Meter unter der Erde). Diese kam auch sofort in Form von einer ersten Depression, untermalt mit ersten Anzeichen von Müdigkeit. Was ist los in Bern, fragte ich mich, worauf mir der Herr eines meiner verirrten Schäfchen schickte. Es schien ganz alleine unterwegs zu sein und gesellte sich kurz zu mir. Aha, es geht ans Uni-Fest. Nun gut, da will ich nicht hin. Nach einem viertelstündigen Sillywalk (man muss sich ja irgendwie unterhalten) fanden wir uns bei der Uni Tobler wieder. Es war mittlerweile etwa zwei Uhr und das Fest ausverkauft. Komischerweise strömten die Massen aber eher hinaus denn umgekehrt. Mit den Türstehern gab’s aber nichts zu diskutieren (weil ja, es ist ja ausverkauft und so). Das war irgendwie dann doch zuviel des Guten. Unguten, wie auch immer. Ein letzter Spaziergang Richtung Bierhübeli raubte uns dementsprechend denn letzten Sinn für Hoffnung und ich beging den ersten Verstoß gegen eines der zehn Gebote, was man nach dem Ausgang nicht machen darf und stieg in ein Taxi. So kam ich also zu Hause an und machte mich daran, gegen drei weitere Gebote zu verstoßen. Klar, man hatte herrlich diniert, aber mittlerweile waren doch einige Stunden vergangen und ich setzte Wasser auf, um mir ein leckeres Chinasüppli zu genehmigen. Ich habe eigentlich auch gar kein schlechtes Gewissen deswegen, denn irgendetwas Gutes darf man sich nach einer derartigen Tortour ja wohl gönnen. Des Weitern ließ ich es einmal mehr aus, mich um meine Zähne zu kümmern und das Abschminken von irgendwelchen Kajalüberresten wurde auch großzügig aus dem Programm gestrichen...

Samstag, 2. März 2013

Die Frau im Monbijou

Es ist nun so. Und man sucht die Worte. Ich will nicht vom kläglichen, weissen Blatt schreiben, sondern einfach die Unvernunft in meinem Dasein preisgeben. Nun ist es doch so, dass ich der deutschen Sprache positiv begnadigt bin, und mir tatsächlich die Worte aus den Fingern fallen, während der Inhalt auf der Strecke bleibt. Die von altem Wüstensand bedeckte Strecke, welche weder Spuren irgendwelcher Migranten, noch sonst irgendetwas aufweist. Wieso weiss ich nichts zu erzählen? Warum bin ich von dieser Leere erfüllt? Schon das tägliche Geschehen wäre lohnenswert, verfasst zu werden. Denn ist es nicht so, dass ich heute nur willig war, denn Fuss über die Schwelle zu setzen, wenn ich durch die musikauströmenden Kopfhörer geschützt war? Doch, doch, so ist es. Ich wollte nicht hören, was die anderen Gesellschafter zu verkünden haben. Leider schützt Musik vor Sehen nicht. So musste ich wohl oder übel an der Körpersprache einer mir, wie ich das ungeniert behaupten möchte, unsympathischen Person, teilhaben. Nachdem die obligate Frage „tu-ich-auch-so?“ geklärt war – sprich, mit „nein“ beantwortet werden konnte - , liess ich meinem Beobachtungsdrang freien Lauf. Sie sass im Schaufenster eines Restaurants und machte schlechte Werbung. Menschen sind so erbärmlich, wenn sie nicht sich selbst sein können. Was natürlich noch erbärmlicher ist, wenn sie tatsächlich so sind. Im kleinen Kreise zweier krawattierten Geschäftsherren schob sie sich kleine Happen in den Mund, sass aufrecht, mit durchgehängtem Kreuz, auf ihrem Stuhl, in ihrem mintgrünen, schrecklich unauffallenden Strickpulli, mit ihren Strähnchen im blonden Haar und grinste ihr künstlichstes Broccoli-Zwischen-Den-Zähnen-Lächeln in die Welt hinaus. Oder zumindest in das langweilige Gesicht ihres Gegenüber...

Donnerstag, 31. Januar 2013

Polaroidbilder des Gehirns - Fleischwolf

Ich weiß noch nicht genau, wo das hinführen soll, aber irgendeine Richtung sollte langsam aber sicher angegeben werden, denn diese Endlosschlaufe, die sich zwischen Schlafen, Nahrungsaufnahme und Abwarten dreht, macht krank. Alles macht sie krank. Meine eh schon vergifteten Gedanken vermag sie noch um ein vielfaches durch den Fleischwolf der Paranoia zu würgen, was zur Folge hat, dass ich Geschichten kenne, die noch gar nicht geschehen sind. 

Mittwoch, 30. Januar 2013

Immer wieder am Bahnhof


Es ist zu kalt und es dauert zu lange.
Neben mir hängt eine Gruppe Jugendlicher ab, deren Verhalten ich nicht verstehe, mich aber in ihrer Suppe der Identitätslosigkeit widerspiegle. Die meisten von ihnen sind recht groß gewachsen. So auch ihr Mundwerk und ihr Hang zu Allüren. Ich merke, wie ich mich nicht ganz unglücklich darüber schätze, deren Alter längst entkommen zu sein. Nicht, dass es in diesem neuen Abschnitt nun etwas wie eine feste Identität geben würde, aber der Drang danach, eine solche zu finden, hat sich leise verflüchtigt und schläft irgendwo in den Tiefen irgendeiner Ebene meines Ichs, bis er wohl eines Tages durch eine Grauenhaftigkeit erweckt werden wird, um wie der feurigzornige Stier im letzten Einhorn an die Oberfläche durchzubrechen.
Oder doch nicht? Wird die verborgene Identität vielleicht gar nicht von etwas derartigem gefangen gehalten und bedarf es auch keiner Grauenhaftigkeit? Wäre es nicht auch möglich, dass sie ziemlich in Ordnung ist und lediglich ein bisschen Einsichtigkeit nötig wäre?
Ich subtrahiere großes Getue und etwas von der ganzen Aufmache von dem lauten Mädchen und – verstehe sie eigentlich noch immer nicht. Einzig die Möglichkeit zieht sich in Erwägung, dass alles in Ordnung ist, während der Zug einrollt und ich ins geheizte Abteil einsteigen kann.

Montag, 21. Januar 2013

Bern - Olten


Heute dauert die Zugfahrt länger als sonst
Ich weiss, dass das nur mein Gefühl ist und keine Tatsache
Ich kenne viele Gefühle, aber fast keine Tatsachen
Gefühle sind manchmal tatsächlicher

Keiner spricht, einige denken vielleicht an etwas
Es ist kalt im Zug
Draussen ist es 13° Celsius, sagt die digitale Temperaturanzeige in roten Ziffern
Aber das war in Bern

Ein Natel klingelt und alle bewegen sich
Es ist nicht deines
So wichtig bist du nicht
Auf dem Display steht „lautlos“

Sonntag, 20. Januar 2013

Die Avocado


Vorhin – als ich noch im Wohnzimmer unten auf dem rundgeschwungenen Sofa saß – habe ich die Avocadopflanze studiert, welche sich in ihrem roten Topf alle Mühe gibt, sich nach oben hin zu entfalten. Sie stagniert. Schon seit Monaten, wie mir scheint. Ich behaupte, der Wahrheit entsprechend, sagen zu dürfen, dass ich sie täglich mit reichlich Wasser versorge, habe mal gehört, dass ihnen Feuchtigkeit bekommt. Nun gut, ich lasse sie mal und mache mir keine Gedanken mehr um sie. Vielleicht macht sie auch so etwas wie Winterpause. Schliesslich ist November und ich denke, dort wo Fräulein Avocado eigentlich herkommt, ist Herr November wohl gar nie auf Visite. Andererseits geht die Kälte und Dunkelheit dieses Besuchs auch an mir nicht spurlos vorbei. November ist wohl keine gute Zeit, um zu wachsen. Physisch wie auch sonst wie. Irgendwie werden alle Funktionen auf Standby geschaltet, dafür läuft ein Automat, der geringfügig erledigt, was zu erledigen ist.