In meinem Kopf pulsiert es. Habe nichts überlegt. Dachte, ich könnte noch eine halbe Stunde nichts tun. Dabei ist es schon nach neun. Ich mag es nicht, wenn ich mich beeilen muss, weil sonst der Zug losfährt. Aber ich musste. Jetzt läuft meine Nase und ich habe kein Taschentuch. Aber was soll’s? Viel schlimmer sind das Dröhnen im Kopf und der Klumpen im Hals. Er sitzt so verdammt fest. Irgendwo zwischen Nase und Hals; kann sich nicht entscheiden, wo er hin will. Nicht einmal die Zähne habe ich geputzt. Der Kaugummigeschmack vermischt sich mit dem des Schwarztees. Der Zug ist im Tunnel. Diese Strecke ist voller Tunnel! Ich mag das nicht. Man kriegt davon einen Druck auf den Ohren; vielleicht habe ich deshalb so ein Dröhnen im Kopf. Nein, wahrscheinlich ist’s vom vielen Denken. Oder vom Wetter. Aber diese Aussage erlangt wohl erst ab dem vierzigsten Lebensjahr an Gültigkeit. Na ja, egal. Es soll einfach weg, damit ich wieder rauchen kann. Ich kann den Zustand meiner Gesundheit anhand des Zigarettenkonsums analysieren. Wenn mir Zigaretten nicht schmecken, so bin ich krank. Aber neuerdings höre...nein, fühle ich so einen Luftzug in der linken Seite meines Brustkastens. Das ist sicher die Lunge. Und das kommt sicher vom Rauchen. Na ja, wenn der Klumpen und die Kopfschmerzen verschwunden sind, werde ich trotzdem wieder rauchen. Willensstärke ist da nicht wirklich vorhanden. Meine Hände sind ganz ausgetrocknet. Das sind sie immer, wenn ich sie nicht eincrème. Na ja, was soll’s? Habe mal gehört, die Haut würde von Crèmen und Pomaden abhängig werden, wenn man einmal damit anfängt. Schon wieder im Tunnel. Ich schaue aus dem Fenster. Grün. Weiß nicht, wo ich bin. Ich hab tatsächlich fast den Zug verpasst. In diesem Abteil hat’s Kinder. Eines davon schreit...Man könnte auch sagen, dass es hyperventiliert, denn es macht so komische Geräusche zwischen den Schreiattacken. Jetzt fährt der Zug durch einen Wald. Ich find’s komisch, dass man eine Bahnstrecke durch einen Wald baut. Wegen der Tiere. Ah, nun fährt er an Koppigen vorbei. Da bin ich aufgewachsen. Ein kleines Kaff, das nicht sonderlich viel zu bieten hat. Es stört mich jedoch nicht, hier meine Kindheit verbracht zu haben. Das Kind geht mir langsam aber sicher auf die Nerven. Nun rennt es auch noch im Abteil herum. Es heißt Katrin. Ich mag diesen Namen nicht. Das macht es erst recht zum Balg! Ich konnte mich nicht mehr auf der Wäscheliste eintragen, da ich mich so beeilen musste. Hoffentlich trägt sich niemand ein...Der Kleiderberg wächst und wächst ins Unermessliche. Man muss schon an vieles denken, um so einigermaßen durch den Alltag zu kommen. Manchmal habe ich das Gefühl, leben besteht aus organisieren. Da ist nichts mit „das-lass-ich-mal-auf-mich-zukommen“...Irgendwie funktioniert dies einfach nicht. Aber da frag ich mich doch, wo denn da die positive Aufregung bleibt. Tunnel. Meine Hand und einer meiner Finger schmerzen. Druck auf den Ohren. Kaugummi kauen. Nützt vielleicht. Seit ich im Zug sitze, habe ich mich nicht bewegt. Kriege wohl einen Schaden an der Wirbelsäule. Der kann sich dann mit dem Schaden im Hals und dem im Kopf zusammentun. Tunnel nimmt kein Ende. Dafür hat sich das Kind einigermaßen beruight. Das ist falsch, es heißt – nein, es schreibt sich – beruhigt. So. Ich weiß nicht. Jetzt bin ich gleich in Bern. Viel zu früh natürlich. Und für das habe ich mir beinahe die Lunge aus dem Leib gekotzt. Egal, spür ich ja jetzt nicht mehr. Da hat’s so komische Wagen auf den anderen Geleisen. In den Keller. Ich glaube, wir haben jetzt im Keller Schule. Im Untergeschoss. Vor der Kiste; dem Computer. So, die Durchsage: Endstation.
Mittwoch, 18. September 2013
Ohne Titel
In meinem Kopf pulsiert es. Habe nichts überlegt. Dachte, ich könnte noch eine halbe Stunde nichts tun. Dabei ist es schon nach neun. Ich mag es nicht, wenn ich mich beeilen muss, weil sonst der Zug losfährt. Aber ich musste. Jetzt läuft meine Nase und ich habe kein Taschentuch. Aber was soll’s? Viel schlimmer sind das Dröhnen im Kopf und der Klumpen im Hals. Er sitzt so verdammt fest. Irgendwo zwischen Nase und Hals; kann sich nicht entscheiden, wo er hin will. Nicht einmal die Zähne habe ich geputzt. Der Kaugummigeschmack vermischt sich mit dem des Schwarztees. Der Zug ist im Tunnel. Diese Strecke ist voller Tunnel! Ich mag das nicht. Man kriegt davon einen Druck auf den Ohren; vielleicht habe ich deshalb so ein Dröhnen im Kopf. Nein, wahrscheinlich ist’s vom vielen Denken. Oder vom Wetter. Aber diese Aussage erlangt wohl erst ab dem vierzigsten Lebensjahr an Gültigkeit. Na ja, egal. Es soll einfach weg, damit ich wieder rauchen kann. Ich kann den Zustand meiner Gesundheit anhand des Zigarettenkonsums analysieren. Wenn mir Zigaretten nicht schmecken, so bin ich krank. Aber neuerdings höre...nein, fühle ich so einen Luftzug in der linken Seite meines Brustkastens. Das ist sicher die Lunge. Und das kommt sicher vom Rauchen. Na ja, wenn der Klumpen und die Kopfschmerzen verschwunden sind, werde ich trotzdem wieder rauchen. Willensstärke ist da nicht wirklich vorhanden. Meine Hände sind ganz ausgetrocknet. Das sind sie immer, wenn ich sie nicht eincrème. Na ja, was soll’s? Habe mal gehört, die Haut würde von Crèmen und Pomaden abhängig werden, wenn man einmal damit anfängt. Schon wieder im Tunnel. Ich schaue aus dem Fenster. Grün. Weiß nicht, wo ich bin. Ich hab tatsächlich fast den Zug verpasst. In diesem Abteil hat’s Kinder. Eines davon schreit...Man könnte auch sagen, dass es hyperventiliert, denn es macht so komische Geräusche zwischen den Schreiattacken. Jetzt fährt der Zug durch einen Wald. Ich find’s komisch, dass man eine Bahnstrecke durch einen Wald baut. Wegen der Tiere. Ah, nun fährt er an Koppigen vorbei. Da bin ich aufgewachsen. Ein kleines Kaff, das nicht sonderlich viel zu bieten hat. Es stört mich jedoch nicht, hier meine Kindheit verbracht zu haben. Das Kind geht mir langsam aber sicher auf die Nerven. Nun rennt es auch noch im Abteil herum. Es heißt Katrin. Ich mag diesen Namen nicht. Das macht es erst recht zum Balg! Ich konnte mich nicht mehr auf der Wäscheliste eintragen, da ich mich so beeilen musste. Hoffentlich trägt sich niemand ein...Der Kleiderberg wächst und wächst ins Unermessliche. Man muss schon an vieles denken, um so einigermaßen durch den Alltag zu kommen. Manchmal habe ich das Gefühl, leben besteht aus organisieren. Da ist nichts mit „das-lass-ich-mal-auf-mich-zukommen“...Irgendwie funktioniert dies einfach nicht. Aber da frag ich mich doch, wo denn da die positive Aufregung bleibt. Tunnel. Meine Hand und einer meiner Finger schmerzen. Druck auf den Ohren. Kaugummi kauen. Nützt vielleicht. Seit ich im Zug sitze, habe ich mich nicht bewegt. Kriege wohl einen Schaden an der Wirbelsäule. Der kann sich dann mit dem Schaden im Hals und dem im Kopf zusammentun. Tunnel nimmt kein Ende. Dafür hat sich das Kind einigermaßen beruight. Das ist falsch, es heißt – nein, es schreibt sich – beruhigt. So. Ich weiß nicht. Jetzt bin ich gleich in Bern. Viel zu früh natürlich. Und für das habe ich mir beinahe die Lunge aus dem Leib gekotzt. Egal, spür ich ja jetzt nicht mehr. Da hat’s so komische Wagen auf den anderen Geleisen. In den Keller. Ich glaube, wir haben jetzt im Keller Schule. Im Untergeschoss. Vor der Kiste; dem Computer. So, die Durchsage: Endstation.
Samstag, 11. Mai 2013
...to be continued...
Ich hatte die Schuhe ausgezogen. Natürlich weiss ich - knapp ein Jahr danach - nicht mehr aus welchem Grund. Aber ehrlich gesagt wusste ich das auch damals am nächsten Morgen nicht mehr. Meine Füsse schmerzten und an einigen Zehen klebte schwarzes, geronnenes Blut. Ebenso fühlte sich mein Kopf schwer und schwammig an. Irgendwelche hochprozentigen Substanzen hatten mir das Hirn weggeblasen. In meiner Erinnerung fand ich verzerrte Fetzen einer grauen und herzlosen Nacht. Worte ohne Stimmen und Fratzen ohne Gesichter…
Sonntag, 5. Mai 2013
Das Maß der Dinge
Es
scheint mir eine interessante Frage zu sein, ob denn nun der Traum der Vernunft
diese Ungeheuer tatsächlich gebiert. Zuerst einmal noch anzumerken ist, dass in
der spanischen Sprache das Wort für Traum ebenso Schlaf bedeutet. Ein nicht
unwichtiger Punkt, da dies die Aussage erheblich verändert. denn Träumen kann
auch mit abschweifendem Denken assoziiert werden, schlafen jedoch ist eine
Tätigkeit, bei welcher wir uns in einem unbestrittenen Zustand befinden. Da es
mir in diesem Zeitrahmen nicht möglich ist, den Titel genauer analysieren zu
können, bleibe ich bei der Ausgangslage, der Variante mit dem Traum.
Man
könnte nun die Aussage auch umformen zu einer neuen Konstellation wie etwa
„Wenn die Vernunft träumt, gebiert sie Ungeheuer“. Jeder Mensch besitzt ein
gewisses Maß an Vernunft, welches er nach Belieben anwenden kann. Den
aufklärerischen Idealen zufolge muss ich jedoch annehmen, dass das Volk
bestrebt war, nur noch den vernünftigen Gedanken Eintritt zu gewähren. Wie wir
aber wissen, passiert es immer wieder, dass wir innerlich abdriften, eine
andere Welt aufsuchen, der Realität entfliehen. Und solche Spaziergänge nach
irgendwo geschehen unmerklich. Dies ist der Moment, in welchem die Vernunft
träumt, man könnte es auch Phantasieren nennen. Braucht es aber diese radikale
Grenze? Ist Unvernunft ungeheuerlich? Entsteht nicht auch aus der Vernunft
Irrsinn? Wo liegt die Definition der Vernunft? Für mich stellt der
vermeintliche Fortschritt der Aufklärung in gewissen Bereichen eine zu strenge
Schwarz-Weiß-Malerei dar.
Es wäre
ein nächster Schritt, sich mit der Person Goya auseinanderzusetzen. Welche
Einstellung hatte der Künstler gegenüber dem rein wissenschaftlichen Vormarsch?
So ist doch bekannt, dass Menschen aus gewissen Kreisen in allen Epochen immer
etwas auflehnend sind. Diesem angebrachten Vorurteil nach zu schließen, lässt
sich auf dem Bild unmittelbar etwas Ironisches erkennen. Denn ganz objektiv
betrachtet, ist es eher lachhaft, wenn die träumende Vernunft von gerade eben
jenen Monstern heimgesucht sind, die sie in geistig wachem Zustand zu verbannen
gedenkt.
Durchaus
könnte es Goyas Absicht gewesen sein, den Massen einen Spiegel vorzuhalten, um
sie aus dem Rausch des Extremismus zu befreien.
Welche
Ideen auch immer hinter dem Gesamtwerk stecken mögen, so bleibt für mich der
Ausdruck des Unbehagen am stärksten präsent. Die albtraumartige Szenerie zwingt
zum Aufwachen. Ich würde bei einer Interpretation relativ anti-aufklärerisch
vorgehen und meine Gefühle walten lassen. Aufwachen und dem Absurden entrinnen.
Denn hier stimmt etwas nicht und diesem gilt es zu entfliehen. Um was es sich
dabei handelt, scheint mir ein individuelles Problem darzustellen. Allgemein
gesehen aber liegt die Lösung darin, eine Ausgeglichenheit zu finden, in welcher
vernünftige Aspekte wie auch träumerisches Gedankengut einen Platz haben.
Montag, 22. April 2013
Mittagessen
Das kränkelnde Kind beugt sich über die Teppichstange.
Die Mutter schaut aus dem Küchenfenster. Ihre Äderchen im Gesicht sind so rot wie ihre Hände, die sie von der Bete nicht mehr sauber kriegt. Kirchenglocken schlagen zur Mittagszeit. Der Kirchturm wäre hoch genug. Aber da ist das Kind. Schuldig schlägt sie die Augenlider nieder und fahrt fort, die Kartoffeln zu rüsten.
Das mehlig gekochte Gemüse verschwindet durch die Löcher des Passevites und findet sich in veränderter Form in der Suppenschüssel wieder. Abwesend schaut die Mutter ihrer Arbeit zu, schaut zu, wie sie die Kartoffeln zerdrückt und lässt ihre Finger langsam in das blecherne Küchengerät gleiten. Sie dreht weiter.
Dem Kind ist das ganze Blut in den Kopf geflossen. Die Kirchenglocken schlagen erneut und es lässt sich auf den Boden fallen. Sein Magen knurrt. Mit beiden Händen öffnet es die angelehnte Küchentüre.
Es duftet nach Kartoffelsuppe. Die Schürze der Mutter liegt am Boden.
Mittwoch, 3. April 2013
Die Erkältung
Der
Aschenbecher quillt über, im Kühlschrank herrscht gähnende Leere und der
Nagellack auf meinen Fingernägeln unterstützt mein Erscheinungsbild dieser Tage
auch nicht mehr. Komischerweise kann ich mich seit geraumer Zeit nur noch einer
Aufgabe widmen: Dem Anstarren des Telefons. Hin und wieder stehe ich vom Boden
auf – ich mag keine Telefontischchen – und tue so, als ob ich im nächsten
Augenblick etwas Dringendes erledigen würde, setze mich dann aber doch wieder
vor mein Telefon und muss mir eingestehen, dass ich unter diesen Umständen
einfach zu nichts anderem fähig bin, als zu warten.
Es
klingelt.
Ich saß
im Raucherabteil des 17.37-er IC nach Basel, welcher jedoch noch nicht
losgefahren war, da er einen verspäteten Zug abwartete. Aus meinen Kopfhörern
spielte ein klavierlastiges Lied in Moll. Ich genoss den Anblick des hektischen
Treibens auf dem Perron, welches durch die musikalische Untermalung die Gestalt
eines Films annahm. Doch dann blieben meine Augen an einem der Darsteller
haften. Es mag etwas abgedroschen sein, wenn ich behaupte, noch nie so eine
wundervolle Person gesehen zu haben. So soll es; mir fällt beim besten Willen
nichts Besseres dazu ein.
Angestrengt
verfolgte ich ihn mit meinem Blick in der Menschenmasse, doch verlor ich ihn
kurzum. Aus der Traum. Der Zug bewegte sich ruckartig, verließ in ansteigendem
Tempo den Bahnhof. Ich schaute immer noch hoffnungsvoll aus dem Fenster, als
ich hinter mir eine Stimme vernahm. Obwohl ich die Frage nicht verstand, ging
ich davon aus, dass es sich um die „Ist-hier-noch-frei?“-Frage handelte, und so
nickte ich abwesend, während ich mich auf meinem Sitz einrichtete. Ich
registrierte kurz, wer sich mir gegenüber hingesetzt hatte, wandte mich ab und
schaute ein zweites Mal. Er war es. Meine Hände fuhren zu meinen Kopfhörern
empor, um diese abzunehmen, auf meinen Lippen formten sich die ersten Worte.
Aber ich schwieg und schaute aus dem Fenster. Häuser und Strassen zogen an
meinem Blick vorbei. Ich sah nichts. Fahrgäste zündeten sich Zigaretten an. Ich
wollte auch. Ich konnte nicht. Mein Verstand schien aus allen erdenklichen
Konzepten zu geraten, dafür stieg an dessen Stelle das beinahe schmerzhafte
Pochen meines Herzens.
Was
sollte ich denn tun? Dich einfach aus dem Zug aussteigen lassen, ohne auch nur
die geringste Anstrengung unternommen zu haben, um irgendetwas über dich zu
erfahren? Doch blieben alle Funktionen, die das Sprechen ermöglichen,
ausgeschaltet. Fünfundvierzig Minuten der einstündigen Zugfahrt waren jäh
verstrichen. Die Musik, welche in meine Ohren floss, nahm ich kaum mehr wahr
und der Bilderstreifen vor dem Zugfenster bündelte sich zu einem
gegenstandslosen Farbenstrahl. In meinem Magen formte sich das Gefühl des
Unmuts und bahnte sich seinen Weg durch die Speiseröhre Richtung Mund, wo sich
ein saurer Geschmack bildete.
Basel. Er
stand auf und ich erkannte, wie sich seine Lippen zu einem Wort formten,
welches an mich gewandt schien. „Tschüss“, sagte ich, ohne mich selbst zu
hören, und war mir somit auch nicht sicher, ob ich es denn tatsächlich
ausgesprochen hatte.
So
stiegen wir aus dem Zug. Du gingst nach links. Ich blieb stehen, schaute dir
nach und machte mich nach rechts davon.
„...Husten
und Schnupfen.“ „...-...“ „Nein, ich weiß nicht, wann ich wieder zur Arbeit
kommen kann.“ „...-...“ Ich lege den Hörer auf die Gabel, setze mich zurück an
meinen Beobachtungspunkt und starre das Telefon an.
Mittwoch, 20. März 2013
Eine Nacht im Juni
Der Juni
bereitet mir bis anhin noch nicht all zu große Freude, zumal er immer wieder
den bedrohlichen Eindruck erweckt, sich direkt im folgenden Herbst zu
verlieren. So bin ich denn auch saisongerecht krank geworden und trinke
erstmals Tee, um abzuwarten und ja – gesund zu werden natürlich.
Vielleicht
hat sich aber auch einfach ein kleiner Frustrationsparasit in meinem Kopf
eingenistet und ärgert mich dort, ungeachtet der drei lustigen Pillen, die ich
ihm raufgeschickt habe. Ich nehme an, er ist immer noch etwas muderig ob des
letzten Samstags. Eigentlich hat ja alles wunderbar angefangen. Ich habe mich
zum Kochen eingeladen (ja, so Futurekitchen, alles mit Digital Buttons, super)
und wohlgenährt konnte man sich also dann ins Nachtgetümmel stürzen. Der Sturz
kam früh und endete in einem Keller unten, wo man angestrengt versuchte, mit
einem (sehr, sehr großen) Drink und suure Fischli die Motivation
zurückzuerlangen, um dann zwei Häuser weiter gleich wieder irgendwo unter dem
Boden zu verschwinden. Die Getränkewahl viel dieses Mal etwas schwieriger aus,
da der „Flying Hirsch“ auf der Karte nicht zu finden war. Mit dem guten
Glauben, dass auch Pastis zu Höhenflügen führen würde, genehmigte man sich
ebenjenes. Der Flug blieb aus, die Musik geriet immer tiefer in den Sog des
Stilbruchs, während wir uns wieder nach oben begaben (die Erleuchtung erhält
man ja wohl auch nicht fünf Meter unter der Erde). Diese kam auch sofort in
Form von einer ersten Depression, untermalt mit ersten Anzeichen von Müdigkeit.
Was ist los in Bern, fragte ich mich, worauf mir der Herr eines meiner
verirrten Schäfchen schickte. Es schien ganz alleine unterwegs zu sein und
gesellte sich kurz zu mir. Aha, es geht ans Uni-Fest. Nun gut, da will ich
nicht hin. Nach einem viertelstündigen Sillywalk (man muss sich ja irgendwie
unterhalten) fanden wir uns bei der Uni Tobler wieder. Es war mittlerweile etwa
zwei Uhr und das Fest ausverkauft. Komischerweise strömten die Massen aber eher
hinaus denn umgekehrt. Mit den Türstehern gab’s aber nichts zu diskutieren
(weil ja, es ist ja ausverkauft und so). Das war irgendwie dann doch zuviel des
Guten. Unguten, wie auch immer. Ein letzter Spaziergang Richtung Bierhübeli
raubte uns dementsprechend denn letzten Sinn für Hoffnung und ich beging den
ersten Verstoß gegen eines der zehn Gebote, was man nach dem Ausgang nicht
machen darf und stieg in ein Taxi. So kam ich also zu Hause an und machte mich
daran, gegen drei weitere Gebote zu verstoßen. Klar, man hatte herrlich
diniert, aber mittlerweile waren doch einige Stunden vergangen und ich setzte
Wasser auf, um mir ein leckeres Chinasüppli zu genehmigen. Ich habe eigentlich
auch gar kein schlechtes Gewissen deswegen, denn irgendetwas Gutes darf man
sich nach einer derartigen Tortour ja wohl gönnen. Des Weitern ließ ich es
einmal mehr aus, mich um meine Zähne zu kümmern und das Abschminken von
irgendwelchen Kajalüberresten wurde auch großzügig aus dem Programm
gestrichen...
Samstag, 2. März 2013
Die Frau im Monbijou
Es ist nun so. Und man sucht die Worte. Ich will nicht
vom kläglichen, weissen Blatt schreiben, sondern einfach die Unvernunft in
meinem Dasein preisgeben. Nun ist es doch so, dass ich der deutschen Sprache
positiv begnadigt bin, und mir tatsächlich die Worte aus den Fingern fallen,
während der Inhalt auf der Strecke bleibt. Die von altem Wüstensand bedeckte
Strecke, welche weder Spuren irgendwelcher Migranten, noch sonst irgendetwas
aufweist. Wieso weiss ich nichts zu erzählen? Warum bin ich von dieser Leere
erfüllt? Schon das tägliche Geschehen wäre lohnenswert, verfasst zu werden.
Denn ist es nicht so, dass ich heute nur willig war, denn Fuss über die
Schwelle zu setzen, wenn ich durch die musikauströmenden Kopfhörer geschützt
war? Doch, doch, so ist es. Ich wollte nicht hören, was die anderen
Gesellschafter zu verkünden haben. Leider schützt Musik vor Sehen nicht. So
musste ich wohl oder übel an der Körpersprache einer mir, wie ich das ungeniert
behaupten möchte, unsympathischen Person, teilhaben. Nachdem die obligate Frage
„tu-ich-auch-so?“ geklärt war – sprich, mit „nein“ beantwortet werden konnte -
, liess ich meinem Beobachtungsdrang freien Lauf. Sie sass im Schaufenster
eines Restaurants und machte schlechte Werbung. Menschen sind so erbärmlich,
wenn sie nicht sich selbst sein können. Was natürlich noch erbärmlicher ist,
wenn sie tatsächlich so sind. Im kleinen Kreise zweier krawattierten
Geschäftsherren schob sie sich kleine Happen in den Mund, sass aufrecht, mit
durchgehängtem Kreuz, auf ihrem Stuhl, in ihrem mintgrünen, schrecklich
unauffallenden Strickpulli, mit ihren Strähnchen im blonden Haar und grinste
ihr künstlichstes Broccoli-Zwischen-Den-Zähnen-Lächeln in die Welt hinaus. Oder
zumindest in das langweilige Gesicht ihres Gegenüber...
Donnerstag, 31. Januar 2013
Polaroidbilder des Gehirns - Fleischwolf
Ich weiß noch nicht genau, wo das hinführen soll, aber
irgendeine Richtung sollte langsam aber sicher angegeben werden, denn diese
Endlosschlaufe, die sich zwischen Schlafen, Nahrungsaufnahme und Abwarten
dreht, macht krank. Alles macht sie krank. Meine eh schon vergifteten Gedanken
vermag sie noch um ein vielfaches durch den Fleischwolf der Paranoia zu würgen,
was zur Folge hat, dass ich Geschichten kenne, die noch gar nicht geschehen
sind.
Mittwoch, 30. Januar 2013
Immer wieder am Bahnhof
Es ist zu kalt und es dauert zu lange.
Neben mir hängt eine Gruppe Jugendlicher ab, deren Verhalten
ich nicht verstehe, mich aber in ihrer Suppe der Identitätslosigkeit
widerspiegle. Die meisten von ihnen sind recht groß gewachsen. So auch ihr
Mundwerk und ihr Hang zu Allüren. Ich merke, wie ich mich nicht ganz
unglücklich darüber schätze, deren Alter längst entkommen zu sein. Nicht, dass
es in diesem neuen Abschnitt nun etwas wie eine feste Identität geben würde,
aber der Drang danach, eine solche zu finden, hat sich leise verflüchtigt und
schläft irgendwo in den Tiefen irgendeiner Ebene meines Ichs, bis er wohl eines
Tages durch eine Grauenhaftigkeit erweckt werden wird, um wie der feurigzornige
Stier im letzten Einhorn an die Oberfläche durchzubrechen.
Oder doch nicht? Wird die verborgene Identität vielleicht
gar nicht von etwas derartigem gefangen gehalten und bedarf es auch keiner
Grauenhaftigkeit? Wäre es nicht auch möglich, dass sie ziemlich in Ordnung ist
und lediglich ein bisschen Einsichtigkeit nötig wäre?
Ich subtrahiere großes Getue und etwas von der ganzen
Aufmache von dem lauten Mädchen und – verstehe sie eigentlich noch immer nicht.
Einzig die Möglichkeit zieht sich in Erwägung, dass alles in Ordnung ist,
während der Zug einrollt und ich ins geheizte Abteil einsteigen kann.
Montag, 21. Januar 2013
Bern - Olten
Heute
dauert die Zugfahrt länger als sonst
Ich weiss,
dass das nur mein Gefühl ist und keine Tatsache
Ich kenne
viele Gefühle, aber fast keine Tatsachen
Gefühle
sind manchmal tatsächlicher
Keiner
spricht, einige denken vielleicht an etwas
Es ist kalt
im Zug
Draussen
ist es 13° Celsius, sagt die digitale Temperaturanzeige in roten Ziffern
Aber das
war in Bern
Ein Natel
klingelt und alle bewegen sich
Es ist
nicht deines
So wichtig
bist du nicht
Auf dem
Display steht „lautlos“
Sonntag, 20. Januar 2013
Die Avocado
Vorhin – als ich noch im Wohnzimmer unten auf dem
rundgeschwungenen Sofa saß – habe ich die Avocadopflanze studiert, welche sich
in ihrem roten Topf alle Mühe gibt, sich nach oben hin zu entfalten. Sie
stagniert. Schon seit Monaten, wie mir scheint. Ich behaupte, der Wahrheit
entsprechend, sagen zu dürfen, dass ich sie täglich mit reichlich Wasser
versorge, habe mal gehört, dass ihnen Feuchtigkeit bekommt. Nun gut, ich lasse
sie mal und mache mir keine Gedanken mehr um sie. Vielleicht macht sie auch so
etwas wie Winterpause. Schliesslich ist November und ich denke, dort wo
Fräulein Avocado eigentlich herkommt, ist Herr November wohl gar nie auf
Visite. Andererseits geht die Kälte und Dunkelheit dieses Besuchs auch an mir
nicht spurlos vorbei. November ist wohl keine gute Zeit, um zu wachsen.
Physisch wie auch sonst wie. Irgendwie werden alle Funktionen auf Standby
geschaltet, dafür läuft ein Automat, der geringfügig erledigt, was zu erledigen
ist.
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