Die Bäume, von welchen sie getragen werden, stehen vor meinem Fenster im Garten. Niemand der drei Parteien im Haus nimmt sich ihnen an, Früchte und Beeren sind sich selbst überlassen und werden ihr jähes Ende irgendwo am Boden finden, wenn sie zu schwer sind, um von Ästen getragen zu werden. Der Winter wird kommen und eine weisse Decke über sie legen. So ist der Lauf, ein völlig natürliches Geschehen.
Ich habe ein bisschen Angst, wenn ich daran denke, dass es auch weiterhin so bleiben wird. Und schliesslich wird irgendwann der Winter einbrechen – es ist schon jetzt ziemlich kalt – und mich unter tanzenden Schneeflocken langsam verschwinden lassen. Ich weiss nicht genau, was von den Früchten und Beeren jeweils übrig bleibt und auch im Frühling noch da ist. Auf jeden Fall verlieren sie ihre Farben.
Manchmal spüre ich, wie die restliche Kraft, die mir der Baum gegeben hat, aus mir fliesst. Unaufhaltsam. Ich weiss auch gar nicht, was ich mit diesem letzten Tropfen noch ausrichten könnte. Alles, was ich versucht habe, konnte mich nicht von meinem kleinen Fleck wegbringen. Ich glaubte manchmal, als die Sonne schien, ein Vogel würde mich erblicken und davontragen. Vielleicht war ich ein bisschen übermütig und habe zuviel Zuversicht in diesen Gedanken gesteckt.
Mittlerweile regnet es seit Tagen, die Vögel haben sich zurückgezogen und die Menschen kommen auch nicht mehr so oft vorbei. Sie denken wahrscheinlich gar nicht mehr an den Garten. Eher an die teuren Ölrechnungen, welche ihnen der Winter einheimsen wird, ans Umziehen, da die Miete für diese Wohnung einfach zu hoch ist. Ich werde wahrscheinlich auch nicht mehr bei diesem Haus sein, wenn es einmal soweit sein sollte. Irgendetwas wird schon mit mir passieren. Manchmal wüsste ich zu gerne, was es sein wird, wie es sein wird. Andererseits kann ich diese Fragen auch gleich beantworten. Ein anderer Garten wird kommen.
Ich trinke Lindenblütentee mit Zitronensaft. Die Grippe hat mich heimgesucht. Ein weiteres Mal. Ich bin oft krank. Falle viel von Ästen. Vielleicht ist auch mein Baum krank. Ich weiss es nicht genau. Ich bin genau genommen auch gar keine Frucht, auch keine Beere. Zumindest versuche ich das zu glauben. Dieser Tage unterscheide ich mich jedoch wohl kaum von ihnen, denn Früchte, die durch Krankheiten vom Baum fallen, sind im Allgemeinen unreif und daher gänzlich unbrauchbar. Ich hoffe, dass sich das Getier nicht all zu früh bei mir einnisten wird. Womöglich werden sie mich als deren Eigen betrachten und sich in mir ausbreiten. Etwas dagegen unternehmen werde ich zu diesem Zeitpunkt sowieso nicht mehr können, da ich nur noch die Hülle meiner selbst sein werde. Ich wünschte, jemand würde mich an einen anderen Ort bringen. Aber da ich nicht zu ihnen sprechen kann – oder sie mich nicht verstehen – wird dies wohl nie geschehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen